Zweiachsiger benzolmechanischer Triebwagen VT 710 Oldenburg (Epoche 2)
Die Gothaer Waggonfabrik
1883 wurde durch Fritz Bothmann in Gotha eine Schlosserei gegründet, Haupterzeugnis der Firma waren Karussells. 1892 trat der Kaufmann Louis Glück in die
Firma ein, die sich nun als Fritz Bothmann & Glück Maschinenfabrik & Carussellbau-Anstalt bezeichnete. 1898 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt und hieß nun Gothaer Waggonfabrik vormals Fritz Bothmann & Glück AG. Hauptsächlich baute die Gothaer Waggonfabrik Eisenbahnwagen, ab 1898
entstanden dann auch Straßenbahnwagen. Die Gründer Bothmann und Glück schieden bis 1905 aus der
Waggonfabrik AG aus. 1903 oder 1905 gründete Fritz Bothmann daraufhin zum zweiten Mal eine Waggon-
und Karussellfabrik. Die "neue" Firma Bothmann zog 1921 auf das Gelände eines ehemaligen Flieger-
horstes. Mit dem Umzug begann Bothmann wieder mit dem Bau von Straßenbahnwagen und Güterwagen.
Dies führt in der Literatur wiederholt zur Verwirrung, aus welchem Gothaer Werk welche Fahrzeuge
stammen. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise mußte Bothmann 1929 Zahlungsunfähigkeit anmelden und 1931
völlig schließen. 1910 änderte die Gothaer Waggonfabrik AG ihren Namen, der Zusatz "vormals Fritz
Bothmann und Glück" wurde in Klammern gesetzt. Auch hier baute man die Produktpalette aus. Von 1910 bis
1918 produzierte man Flugzeuge, nach dem I. Weltkrieg wieder Triebwagen und Eisenbahnwaggons, aber
auch Lastwagen-Anhänger. Ab 1921 war man durch Ankauf der Fahrzeugwerke Eisenach zum Auto-
produzenten geworden. Die Gothaer Waggonfabrik gehörte ab 1930 mehrheitlich zu Orenstein & Koppel in
Berlin. 1934 wurde im Zuge der Aufrüstung des 1000jährigen Reiches der Flugzeugbau wieder
aufgenommen. 1949 erfolgte die Verstaatlichung als VEB Waggonbau Gotha. Während über einzelne
Erzeugnisse der Waggonfabrik Gotha, den Flugzeugen, Straßenbahnwagen, ebenso den Autos zahlreiche
Publikationen vorliegen, liegen über die Produktion der Erzeugnisse für den Eisenbahnverkehr kaum
Informationen vor.
Das Vorbild
Unter den auf der Eisenbahntechnischen Ausstellung 1924 in Seddin vorgestellten Triebwagen befand sich ein 2-achsiger, 12 Meter langer benzolmechanischer
Versuchstriebwagen der Gothaer Waggonfabrik. Wie auch einige andere auf der Eisenbahntechnischen Ausstellung ausgestellte Triebwagen wurde der Gothaer
Versuchstriebwagen im Rahmen eines umfangreichen Erprobungsbetriebes im Raum Thüringen von von der Reichsbahn erprobt. Im Gegensatz zu dem
dieselmechanischen EVA-Maybach Triebwagen (dem späteren VT 851) wurde dieser (vorerst) nicht von der DRG übernommen.
1926 wurden jedoch von der Gothaer Waggonfabrik vier benzolmechanische Triebwagen der “schweren Bauart” mit den Betriebsnummern VT 709 - 712 geliefert.
Diese entsprachen im wesentlichen Aufbau dem zuvor erbauten Versuchs-Triebwagen, verfügte jedoch an den Wagenenden über längere Abschrägungen der
Seitenwände nach dem Vorbild der Einheits-Schnellzugwagen. Diese Bauform prägte das Aussehen der im weiteren durch die DRG 2-achsigen beschafften
schweren Triebwagen.
Ein genietetes stählernes Untergestell diente als Träger für ein stählernes Kastengerippe mit einer äußeren Stahlblechverkleidung des Wagen-kastens. Über einen
Mitteleinstieg sind die Fahrgasträume zugänglich, wobei der Einstiegsraum in den Fahrgastgroßraum der ursprünglichen 4. Klasse direkt übergeht. Der Zugang zum
Fahrgastraum der 3. Klasse mit Mittelgang erfolgte über eine Schiebetür. Ebenfalls vom Einstiegsraum erfolgte der Zugang zum Abort. Die Führerstände waren von
den Fahrgasträumen mit einer Trennwand und Schiebetüren abgetrennt, der jeweils rückliegende Führerstand wurde als Gepäckraum genutzt und erhielt aus
diesem Grund zweiflüglige Türen.
Die Maschinenanlage war wie bei Versuchstriebwagen in einem Tragrahmen unterhalb des Fahrzeugbodens angeordnet. Von dieser Anordnung versprach man sich
mehr Platz, geringeren Lärm und Vibrationen im Wagenkasten sowie leichtere Zugänglichkeit der Aggregate. Im Betriebseinsatz zeigten sich die Tragrahmen oft
nicht den Belastungen gewachsen und mußten verstärkt werden. Als Motor wurde wie beim Versuchstriebwagen auf einen Benzolmotor T 70 von NAG
zurückgegriffen, das mechanische Vierganggetriebe 3.01 hingegen stammte hingegen aus eigener Produktion. Die Kühlung des Motors erfolgte mit Wasser, die
zwei Kühlelemente wurden im Gegensatz zum Versuchstriebwagen jedoch auf dem Wagendach angeordnet.
Nach der Abnahme wurden sie der Rbd Oldenburg, Bw Oldenburg zugewiesen, VT 709 - 710 gelangten vor 1932 zum Bw Bremen. Im Betrieb zeigten sich die zu
dieser Zeit üblichen Schwierigkeiten, zahlreiche Bauteile waren den Belastungen nicht gewachsen. Neben Problemen mit den Tragrahmen befriedigten die Getriebe
unzureichend, ab 1935 mußten die Radsätze gegen neuere mit verstärkten Radsatzwellen getauscht werden. VT 711 und 712 wurden im 2. Weltkrieg zerstört, VT
709 stark beschädigt. Im Nummerplan 1947 der DB war für diesen noch die Bezeichnung VT 86 903 vorgesehen, wurde jedoch im Januar 1947 ausgemustert.
Der VT 710 wurde 1934 zur Erprobung zum Dieseltriebwagen mit hydraulischer Leistungsübertragung umgebaut. Als VT 820 blieb dieser weiterhin in Oldenburg. In
den 40er Jahren wurde dieser zeitweise an die Kahlgrundbahn vermietet, 1941 an die Westerwaldbahn verkauft. 1943 von der Kahlengrundbahn übernommen,
wurde er 1975 abgestellt.
Das Modell
Das Modell des Benzoltriebwagens entstand im Eigenbau. Zur Wiedergabe des genieteten Wagenkastens wurden die Gehäuseteile in Ätztechnik gefertigt,
zurückgegriffen wurde dabei auf Vorlagen einer Kleinserie in der Nenngröße TT. Für Dach, Dachkühler sowie Batteriekästen entstanden Urmodelle und wurden im
Anschluß aus Resin gefertigt. Die Zurüstteile stammen überwiegend von Weinert, die Beschriftung von Ostmodell.
VT 710 mit zugerüstetem Dach
Das Fahrwerk entstand hingegen als Einzelanfertigung aus massiven Messingblech, für den Antrieb wurde auf einen Faulhaber-Einachsantrieb von sb zurück-
gegriffen.
Fahrwerk des VT 710 mit an der Fahrzeugunterseite befestigtem Hilfsrahmen
Neben der Detaillierung des Modells dient die Inneneinrichtung der Kaschierung des Antriebes und der dazugehörigen Komponenten. Ist für den Antrieb ein
Ausschnitt in der Bodenplatte der Inneneinrichtung erforderlich, können andere Teile im “doppelten” Boden verdeckt untergebracht werden. Als Material dient wie bei
den anderen Baugruppen Messingblech, dieses Material lässt sich schneller und genauer bearbeiten als Kunststoff, Pappe sowie Holz.
Inneneinrichtung des VT 710
Für Nachbauinteressenten ist noch ein Gehäuse-Bausatz erhältlich, ein Baubericht des Modells findet sich in der Rubrik “Werkstatt”.
VT 710 (Eigenbau)
Technische Daten der Triebwagen
Betriebsnummer bei der DRG
709 - 712
Beschaffungsjahr
1926
Gattungsbezeichnung
CDvT
Achsanordnung
A 1
LüP (mm)
13 600
Lieferfirma Wagenteil
Waggonfabrik Gotha
Motor
NAG 1)
Getriebe
Waggonfabrik Gotha
Sitzplätze 3./4. Kl
15 / 29
Dienstmasse, unbes. (t)
21,8
Antrieb Bauart
Benzolmotor KI10Z
Dauerleistung
(kW/PS)
55 / 75
Leistungsübertragung
mechanisch
Getriebebauart
3.01
Steuerung Motor
elektromagnetisch (AEG)
Getriebe
elektropneumatisch
Geschwindigkeit (km/h)
60
Modell Hersteller
Eigenbau
1)
NAG
Nationale Automobil-Gesellschaft,
Berlin-Oberschöneweide
Hinweis: Sammlungsbereinigung Triebwagen, Dampfloks, Wagen, Literatur, Zubehör, Liste unter Sammlungsbereinigung
laufende Überarbeitung
DRG bis 1930