Kruckenberg und die Flugbahn-Gesellschaft
Franz Kruckenberg
Franz Kruckenberg wurde 21.8.1882 in Ütersen Kreis Pinneberg (Holstein) gebohren. Nach dem frühen Tod des Vaters, eines Kaufmannes wuchs er bei seinem
Großvater in Hamburg auf. Nach dem Abitur absolvierte von 1902-04 seemännische Praktika bzw. diente als Einjährig-Freiwilliger bei der Marine. 1904-07 studierte
er Schiffbau in Berlin, 1907-09 in Danzig, zuletzt als Assistent bei J. Schütte.
Als Dipl.-Ingenieur trat er 1909 in die soeben gegründete Firma „Luftfahrzeugbau Schütte-Lanz“ in Mannheim-Rheinau ein. Hier entwickelte er, in Konkurrenz zum
Luftschiffbau Zeppelin, 22 Schütte-Lanz-Luftschiffe, 1915-18 als Chefkonstrukteur und Direktor. Nach 1919 übernahm er auch die Leitung der Tochtergesellschaft für
Getriebe- und Apparatebau. 1924 trennte er sich von Schütte-Lanz, da eine Wiederaufnahme des Luftschiffbaues nach dem 1. Weltkrieg nicht zu erwarten war.
Er gründete 1924 in Heidelberg die Gesellschaft für Verkehrstechnik, aus der 1928 die Flugbahn-Gesellschaft hervorging. Nachdem der ausgereifte Plan einer
Hängeschnellbahn Berlin–Düsseldorf nicht realisiert werden konnte, zog Kruckenberg mit seinen Mitarbeitern 1928 nach Hannover.
Nach Versuchen mit einem Propellerwagen der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt entwickelte er mit der Flugbahn-Gesellschaft in Leichtbauweise und in
Stromlinienformgebung den 1930 fertiggestellten Schnellbahnwagen, der als „Schienen-Zeppelin“ in die Bahngeschichte einging und mit einer Schnellfahrt zwischen
Berlin und Hamburg am 21.6.1931 mit 230 km/h für 23 Jahre das schnellste Schienenfahrzeug der Erde wurde. Die Erkenntnisse aus Kruckenbergs Arbeiten und
praktischen Versuchen fanden ihren Niederschlag in dem ersten von der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft gebauten diesel-elektrischen Schnelltriebwagen
„Fliegender Hamburger“, der seit Mai 1933 mit 125 km/h Reisegeschwindigkeit verkehrte und das wachsende Netz der Schnelltriebwagenverbindungen zwischen
den Großstädten einleitete.
Kruckenberg sah es als seine Aufgabe in der Schaffung eines Verkehrsnetzes für den Einsatz kleiner, schneller Zugeinheiten bei großer Zugdichte zu schaffen. Sein
1934 konstruierter, bei Westwaggon in Köln gebauter dreiteiliger Schnelltriebwagen (70 m Länge, 200 km/h Reisegeschwindigkeit) kam vor Kriegsausbruch nicht
mehr in verkehrsmäßigen Einsatz, kann aber als der Prototyp für die nach dem Kriege wieder aufgenommene Entwicklung betrachtet werden.
1943-45 war Kruckenberg in Berlin und in Herzberg (Harz) bei Henschel als Entwicklungsingenieur für Fernlenkwaffen tätig. Erst 1948 kehrte er nach Heidelberg
zurück, wo er den Kontakt mit der Eisenbahn wieder aufnahm und an der Gestaltung der Bundesbahn-Gliedertriebzüge „Senator“ und „Komet“ teilhatte. Im
Rahmen seiner 1949 gegründeten „Gesellschaft der Förderer der europ. Schnellbahnen e. V.“ versuchte er, seinen Ideen in der Öffentlichkeit Nachdruck zu geben.
Kruckenberg hat mit zäher Energie und unter Einsatz seines Vermögens die Schnellbahn-Idee wissenschaftlich fundiert und technisch wie wirtschaftlich zu ersten
Erfolgen gebracht. Nicht nur Fahrzeuge, auch der Gleisbau mit durchlaufend verschweißten Schienen auf Betonbettung wurde von ihm entwickelt. Das Trans-Europ-
Express ab Mitte der 50er, die ab den 60er Jahrenden entstehenden Schnellfahrnetze stehen für Kruckenbergs Verkehrskonzept. Im 83. Lebensjahr verstarb Franz
Kruckenberg am 19.6.1965 in Heidelberg.
Die Gesellschaft für Verkehrstechnik
Dem vor dem 1. Weltkrieg an der Konstruktion von Flugzeugen sowie Luftschiffen beteiligten Schiffbau-Ingenieur Franz Kruckenberg war im Ergebnis des 1. Welt-
krieges eine weitere Tätigkeit auf diesem Gebiet nicht möglich, so dass sich das von ihm gegründete Ingenieur-Büro anderen Verkehrsträgern zuwandte. Mehr als
40 Gesellschafter aus Wirtschaft sowie Banken traten als Geldgeber dem Unternehmen, der 1924 gegründeten “Gesellschaft für Verkehrstechnik” bei.
In Anlehnung an seine Tätigkeit bei Schütte-Lanz wollte er den zur damaligen Zeit oft verherrenden Einfluß der Witterung auf Luftfahrzeuge in Form eines “geführten
Fluges”, als “Luftschiffgondeln an Laufkatzen” begegnen. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 360 km/h sollte die Hängeschnellbahn verkehren. Für eine Reali-
sierung dieser Pläne wurden umfangreiche Detaillösungen für Fahrzeuge sowie Fahrweg erarbeitet, ebenso wirtschaftliche Machbarkeitsstudien gefertigt. Musste
der Kilometerpreis für den Reisenden unter dem des aufkommenden Luft- sowie Kraftverkehrs, aber auch unter des herkömmlichen Eisenbahnverkehrs liegen.
Erreicht sollte dies durch einen dichten Verkehr kleinteiliger Einheiten im Abstand von einer Minute erreicht werden. So waren für den beschleunigten Fahrgast-
wechsel Bahnsteige mit Rollsteigen vorgesehen.
Patent 433457 - “Fahrzeuge von Hängeschnellbahnen”
Patent 570661 - “Tragwerk für die Fahrbahn von Hängeschnellbahnen”
Patent 464943 - “Bahnsteiganlage für Eisenbahnen”,
17 u. 21 Rolltreppen, 19 u. 22 Rollsteige
Im Jahr 1927 waren die Pläne weitgehend baureif gediegen, zwei Teilstrecken, die “Havelflugbahn” von Witzleben nach Potsdam sowie von Düsseldorf nach Essen
als Bestandteil der Strecken Berlin-Ruhrgebiet-Rotterdam waren im Entwurf erkundet und berechnet. Gespräche mit dem Reichsverkehrsministerium sowie der
DRG brachten zwar keine Einwände über eine technische Machbarkeit, jedoch auch keine Zusagen für eine finanzielle Unterstützung. Die jeweils erforderlichen 40
Millionen Goldmark je Teilstück waren über private Investoren am Vorabend des “schwarzen Freitages” (25.10.1929) nicht aufzubringen. Die Erkenntnis, dass bei
der ca. 25 km langen Hängeschnellbahn etwa 36 Millionen Goldmark auf den Fahrweg, nur etwa 4 Millionen Goldmark auf die Fahrzeuge entfallen, brachten
Kruckenberg und die Gesellschaft für Verkehrstechnik zur Entscheidung, Stromlinienform und Leichtbau auf vorhandenen Gleisen zu demonstrieren. Und die in
Ergebnis der Schnellfahrversuche mit dem Geschwindigkeitsrekord von 210,2 km/h am 27.10.1903 auf der Königl. Preuß. Militär-Eisenbahn herrschende Meinung
zu widerlegen, dass sich hohe Geschindigkeiten wegen des hohen Energiebedarfs von 2210 kW beim AEG-Drehstromtriebwagen nicht rentieren würden.
Die Flugbahn-Gesellschaft - Der Schienenzeppelin
Nachdem er den Entwurf einer Hänge-Schwebebahn nicht verwirklichen konnte, gründete Kruckenberg 1928 die Flugbahn-Gesellschaft zum Bau eines Schienen-
fahrzeuges. Ausgehend von den Erfahrungen beim Bau der Luftfahrzeuge entwarf er einen "Schienenzeppelin" mit Propellerantrieb. Das Fahrzeug war in Leichtbau-
weise ausgeführt, verfügte über einen selbsttragenden Gitterrohrrahmen, die silberfarbene Außenhaut bestand aus Segeltuch. Bei einer Länge von 25,85 m betrug
das Fahrzeuggewicht nur 20,3 t, musste zur Erzielung der erforderlichen Radsatzmasse 2-achsig ausgeführt werden. Eine spartanische, an den Bauhaus-Stil
angelehnte Inneneinrichtung bot maximal 40 Passagieren Platz. Angetrieben wurde der "Schienenzeppelin" durch einen 600 PS leistenden Flugzeugmotor von
BMW. Das Gewicht dieses Motors wurde optimiert, das Motorgehäuse bestand aus Aluminium, teilweise sogar aus Magnesium. Die Kraftübertragung erfolgte durch
einen vierblättrigen, testweise auch durch einen zweiblättrigen Schubpropeller.
Patent 608280 - “Eisenbahntriebwagen für hohe Geschwindigkeiten” mit strom-
Schienenzeppelin auf der Steilrampe Erkrath
linienförmigen räumlichen, selbstragenden Stab-/Rahmenwerk und Propellerantrieb
Foto: Franz Jansen (GNU Free Documentation License)
Die ersten Fahrten erfolgten am 25. September 1930, am 21. Juni 1931 wurde zwischen Ludwigslust
und Wittenberge mit 230,2 km/h ein bis 1954 bestehender Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Im
Verlaufe der Versuchsfahrten wurde der "Schienenzeppelin" als erstes Schienenfahrzeug mit einer
Magnetschienenbremse ausgerüstet und konnte damit aus einer Geschwindigkeit von 160 km/h inner-
halb einer Strecken von 650 m zum Halten gebracht werden.
Ein wirtschaftlicher Einsatz von Fahrzeugen mit Propellerantrieb war jedoch erst bei Geschwindig-
keiten über 200 km/h zu erwarten. Damit war ein Betriebseinsatz dieses Fahrzeuges im bestehenden
Schienennetz der DRG, eingebunden in den Eisenbahnbetrieb mit anderen Fahrzeugen nicht möglich.
Deshalb hatte Kruckenberg bereits 1930, währen des Baus des "Schienenzeppelins" Kontakt zu
seinem ehemaligen Lehrer Professor Föttinger aufgenommen. Dieser hatte 1908 ein Flüssigkeits-
getriebe erfunden. Nach Ansicht Kruckenberg müsste dieses der mechanischen bzw. diesel-
elektrischen Kraftübertragung überlegen sein. In Zusammenarbeit mit Föttinger entstand bei AEG /
Krupp ein 600 PS leistendes Flüssigkeitsgetriebe.
Mit Fertigstellung des Flüssigkeitsgetriebes wurde 1932 der Propeller entfernt, darüber hinaus erhielt
das Fahrzeug einen neuen Kopf mit einem 2-achsigen Drehgestell zur Unterbringung des
Flüssigkeitsgetriebes. Nach dem Umbau erreichte der "Schienenzeppelin" Anfang 1933 eine
Geschwindigkeit von 180 km/h und wurde im Anschluss für weitere Versuchsfahrten an die DRG
verkauft. 1935 wurden bei Testfahrten über 15 000 km zur Ermittlung des Verschleißes des
Flüssigkeitsgetriebes zurückgelegt. Nach diesen Fahrten sollte das Fahrzeug ausgemustert werden,
angesichts der Bedeutung regte der Ministerialrat H. Stroebe den Erhalt dieses Fahrzeuges an.
Kosten der geplanten Aufarbeitung sowie Platzbedarf ließen eine zügige Entscheidung nicht zu,
Anfang 1939 war das Fahrzeug bereits so verrottet, dass eine Erhaltung nicht mehr in Frage kam.
Über die Rekordfahrten hinaus war es nach dem Umbau das erste Fahrzeug mit diesel-hydraulischem
Antrieb.
Nach der Rekordfahrt (230,2 km/h) zwischen Hamburg und Berlin am 25.09.1930
2. v.l. Ober-Ing. Kruckenberg, r. Ing. Black - Führer des Schienezeppelins auf der Rekordfahrt
Foto: Autor unbekannt, Bundesarchiv Bild 102-11904 (GNU Free Documentation License)
SVT 137 155 - der “Fliegende Silberling”
Der Entwurf
Dem bei Probefahrten des Schienenzeppeliins am 14.10.1930 anwesenden Genraldirektor der DRG J. Dropmüller wurde von Kruckenberg der Vorschlag zur
Gründung einer “Reichsversuchsanstalt für Schnellbahnen”, mit dem Zweck zum Bau von Propellertriebwagen und besonderer Strecken unterbreitet. Angesichts der
auf die DRG lastenden Reparationsschulden war für derartige Pläne kein Raum. So schlug Kruckenberg den Bau eines neuen Fahrzeuges, zweiteilig mit Radantrieb
für Geschwindigkeiten von 150 bis 180 km/h zum Einsatz zwischen Berlin und Hamburg vor. Dropmüller erklärte sich für die Förderung dieses Vorhabens bereit. Ein
erster Entwurf von 1931 zeigt einen 2-teiligen Triebwagen in Leichtbauweise mit 59,4 m Länge für 50 Fahrgäste. Der Antrieb sollte, wie Dropmüller zugesagt und
beim umgebauten Schienenzeppelin im Jahr 1933 erprobt, über Dieselmotore und hydraulischer Kraftübertragung als Achsantrieb erfolgen.
Während einer Besichtigung des auf hydraulischer Kraftübertragung umgebauten Schienenzeppelins durch Dropmüller am 11.04.1933 stellte Kruckenberg seine
überarbeiteten Pläne, nunmehr für einen 3-teiligen Schnelltriebwagenzug vor. Dropmüller nahm das Angebot zum Bau eines Fahrzeuges an, lehnte aber den Bau
selber im Reichsbahn-Ausbesserungswerk Leinhausen (Entstehungswerk des Schienenzeppelins), sondern forderte den Bau des Fahrzeuges in einer Waggon-
fabrik. Ebenso forderte das Reichsbahn-Zentralamt trotz vorliegender ausgearbeiteter Pläne der Flugbahn-Gesellschaft für den Triebwagenzug die Einschaltung
einer Waggonfabrik für die Erstellung der Konstruktionszeichnungen. Die 1934 Westwaggon mit einem Angebot zum Bau des Fahrzeuges an das Reichsbahn-
Zentralamt einreichte. Im September 1934 wurde ein Vorvertrag zur Lieferung des Fahrzeuges im Bestellwert von 565.000 RM abgeschlossen.
Im Zuge dieser Entwurfsarbeiten entfernte sich der Triebwagenzug immer mehr von dem von Kruckenberg als Ideal angesehenen stromlinliienförmigen, mit mini-
malsten Gewicht ausgeführten, einfachen Einrichtungsfahrzeug. Der mehrteilige Triebwagenzug sollte nach Kruckenbergs Vorstellungen mit einer selbsttragenden
Bodenwanne, von der Struktur oben offen ausgeführt werden, was das Reichsbahn-Zentralamt in Hinsicht eines unzureichenden Schutzes der Fahrgäste ablehnte.
Kruckenberg beabsichtigte auf Basis des gleichen Fahrwerkes andere Aufbauten, so zur Aufnahme von Wechselpaletten. Gleichfalls Probleme hatte das Zentralamt
mit dem großen vorderen Überhängen der Endwagen, auch wenn diese schließlich in der von Kruckenberg projektierten Ausführung entstanden.
Patent 635018 - Stromlinienförmiger Kopfteil für Triebwagen mit hohen Geschwindigkeiten “Mock Up” des Triebkopfes SVT 137 155 im Verkehrsmuseum Dresden
Die vom Zentralamt geforderten Änderungen erhöhten das ursprünglich errechnet Leergewicht von 70 auf 82 t, nach der Fertigstellung sollte dieses mit 113,2 t
erheblich höher ausfallen. So Kruckenberg zum SVT 137 155 in seiner Denkschrift “Die Flugbahn”:
“Dieser Vorteil (geringer Anstieg Luftwiderstand mehrteiligen Triebwagenzüge gegenüber einteiligen Triebwagen) verliert vollkommen dadurch sein Uebergewicht,
das die Gliederung eines stromlinienförmigen Eisenbahnfahrzeuges, wie sie z.B. bei dem dreiteiligen Schnelltriebwagen, Bauart Kruckenberg, durchgeführt ist, den
Bau der Eisenbahn-Schnellwagen ganz außerordentlich verwicklet macht und daher untragbar verteuert. Es ist für uns vielleicht das eindrucksvollste Ergebnis des
bei der Firma Westwaggon in Köln-Deutz vorgenommenen Neubaus des Schnelltriebwagens unserer Bauart in seiner dreiteiligen Form, daß er sich, was Einfachheit
und Klarheit des Aufbaues und Billigkeit der Anfertigung betrifft, dem ersten von uns gebauten stromlinienförmigen Eisenbahn-Schnellwagen, dem sogenannten
Schienenzeppelin, weit unterlegen gezeigt hat.”
Der Bau
Schon Äußerlich unterschied sich der in Leichtbauweise erbaute SVT der Bauart “Kruckenberg” deutlich von den zuvor erbauten Schnelltriebwagenzügen, ebenso
wie dem zur gleichen Zeit entstehenden 3-teiligen Triebzügen der Bauart "Leipzig" (SVT 137 153 - 154, 233 - 234). Als Vergleichsfahrzeug zur dieselhydraulischen
Variante des SVT “Leipzig” war für Kruckenbergs Schnelltriebwagenzug die Betriebsnummer 137 155 vorgesehen. Gestalterisch lehnte sich die Form des Trieb-
wagenzuges an die des Schienenzeppelins an, auch in der Farbgebung wich er vom violett/elfenbeinen Farbschema der anderen Schnelltriebwagenzüge der DRG
ab, die ihm den Beinamen “Fliegender Silberling” einbrachten.
Wenn die anderen für die DRG erbauten SVT-Bauarten ebenfalls in Leichtbauweise entstanden, wurden bei Kruckenbergs Fahrzeug neue Fertigungswege
gegangen. Bei den Wagenkästen entstanden die Teile für die Rohschalen aus den tragenden Außenblechen (1,25 bzw. 1,75 mm ), auf die mittels Punktschweißung
Längsprofile und Querspanten befestigt wurden. Fertigungstechnisch hatten die Teile nur eine Breite von weniger als 500 mm, so dass diese dann zuerst zu Dach-
und Bodengruppe sowie Seitenwände zusammengefügt und anschließend zum vollständigen Rohsegment, dem Wagenkasten zusammengesetzt wurde. Diese, im
Fahrzeugbau bislang nicht angewendete Fertigungsweise erforderte neue, unkonventionelle Werkzeugmaschinen, die im weiteren zu Verzögerungen führte.
Patent 684116 - Aufbau Wagenkasten als Rohschale
Aufpunkten von Querspanten auf die Außenhaut
Verbinden zweier Außenhautstreifen mit einem Längsprofil
Werkfotos
Die ab 1933 verkehrenden Schnelltriebwagenzüge (FDt) bildeten eine technische Elite unter den Zügen, die zugleich (der nur 2. Klasse führenden Fahrzeuge) Züge
der gesellschaftlichen Elite waren. War das hohe Tempo dieser Züge ein Fortschritt, beklagte das gehobene Reisepublikum schnell den mangelnden Komfort der
Fahrzeuge. Zwar wurde dieser mit den SVT der Bauart “Hamburg” gegenüber dem “Fliegenden Hamburger” bereits verbessert, aber die geringe Platzkapazität der
Züge führte schnell zu einer starken Besetzung und damit zu einer Unruhe in den Zügen. 1935 die Beschaffung größerer Schnelltriebwagenzüge (spätere Bauart
“Köln” und “Berlin”) mit mehr Komfort für die Reisenden der 2. Klasse, mit abgeschlossenen Abteilen beschlossen. Aber auch in den endgültigen Vertrag mit der
Firma Westwaggon für den SVT der Bauart “Kruckenberg” hereingeschrieben. Die ursprünglich vorgesehene Bestuhlung von 132 Plätzen der 3.Klasse und 30
Plätzen der 2.Klasse wurde auf 100 Plätze der 2.Klasse geändert. Mit der Folge von Zeichnungsänderungen und mehrmonatigen Verschiebung des Baubeginns.
Und dass, obwohl für Kruckenberg die Schnellbahn ein für alle erschwingliches Massenverkehrsmittel sein sollte:
“Ich glaube, daß die endgültige Befriedung Europas ... ganz wesentlich gefördert wird, wenn man schnell und billig zueinander kommen kann. ... Es genügt nicht,
daß wenige Mitglieder der Völker miteinander persönlich in Berührung kommen. Volk muß zu Volk kommen können.”
“Komfort” bei Schnellbahnen in Hinblick auf die Laufeigenschaften des Fahrwerkes hingegen hatte bei Kruckenberg Priorität. Zusammen mit der Deutschen Ver-
suchsanstalt für Luftfahrt hatte die Flugbahn-Gesellschaft 1929 auf der Strecken bei Hannover mit dem propellergetriebenen DVL-Versuchswagen (Abb. 5 u. 6)
Versuchsfahrten unternommen, die auch der Beobachtung des Laufwerkes bei höheren Geschwindigkeiten dienten. Die gewonnen Erkenntnisse gingen bei der
Entwicklung der querverschiebbaren Einzelachsen für den Schienenzeppelin bzw. nach dessen Umbau auf hydraulischen Antrieb mit Drehgestell sowie später für
den SVT der Bauart “Kruckenberg” ein. Auf eine starre Befestigung der Einzelachsen bzw. der Drehgestelle über Drehzapfen mit den Wagenkasten wurde ver-
zichtet, geführt wurden die Achse bzw. Drehgestelle über Lenkerstangen, darüber hinaus mit einer hydraulischen Dämpfung versehen. Darüber hinaus waren die
Drehgestelle 2-teilig ausgeführt. Unter- sowie Oberteil der Drehgestelle verfügten über Rollbahnen für kugelförmige Wälzkörper aus Hartgummi. Diese nahmen
sowohl die durch die Gleislage hervorgerufenen seitliche Schwingungen auf und dienten zugleich als Primärfederung. Durch die bewegliche Ausführung konnten
Radsätze und Unterteile der Drehgestelle der Gleislage folgen, während durch die Bewegung der Wälzkörper, den Lenkerstangen sowie der hydraulischen
Dämpfung und der Massenträgheit der Wagenkästen die Fahrzeuge über einen ruhigen Lauf verfügten. So hatte Kruckenberg bei Probefahrten des SVT 137 155
auf den kurvenreichen Rheinstrecken im Januar 1938 randvoll gefüllte Wassergläser auf Tische abgestellt, die keinen Tropfen verloren.
Unterteil des Drehgestell für den SVT “Kruckenberg”
Drehgestell für SVT “Kruckenberg” mit Oberteil und Wagen-
mit Gummiwälzkörpern
federn (Sekundärfederung) Werkfotos
Patent 649522 - QuerbeweglichesDrehgestell mit weichelastischen, tragenden Wälzkörpern
Zu Erzielung der angestrebten Laufgüte der Drehgestelle musste die Masse, vor allem die der ungefederten des Drehgestelles möglichst gering ausfallen. Und
deshalb Motor sowie Hydraulikgetriebe im Gegensatz zu den anderen SVT der DRG außerhalb des angetriebenen Drehgestelles untergebracht werden. Im Jahr
1937 wurde das FDt-Netz von einer schweren Krise erfasst, mussten auf fast allen Strecken Dampfzüge die Triebwagenleistungen übernehmen. Bei den SVT der
Bauart “Hamburg” machten sich vorzeitige Ermüdungen der Achswellen erkennbar, die zur Gewichtseinsparung hohlgebohrt waren. Zusätzlich hatten die
Reichsbahn-Ingeneure zur Vermeidung von Schwingungen in den Wagenkästen die Motore und Antriebe in den Drehgestellen angeordnet. Kruckenberg erachtete
diese Anordnung als ungünstig, da die Antriebsanlage weitgehend ungefedert war. Zur Wiederaufnahme des Betriebes war die Erneuerung aller Achsen in den
Triebdrehgestellen erforderlich, zusätzlich erhielten die SVT der Bauart “Hamburg” neue Drehgestelle, verstärkte Hilfsrahmen für die Maschinenanlage sowie eine
verbesserte Abfederung.
Bis hinein in die Mitte der 30er Jahre dominierte bei den Triebwagen höherer Leistung der dieselelektrische Antrieb. Bereits während des Baus des propeller-
getriebenen Schienenzeppelins entschloss sich Kruckenberg zur Leistungsübertragung mittels Flüssigkeitsgetriebe. Dieses müsste nach seiner Einschätzung nicht
nur einen höheren Wirkungsgrad sowie ein geringeres Gewicht (Bauart “Leipzig” Dienstmasse, leer: 120, 2 t dieselhydr., 131,3 t dieselelektr. Ausführung) aufweisen,
zugleich einfacher im Aufbau sowie der Unterhaltung und billiger in der Anschaffung (der Beschaffungspreis der dieselhydr. Variante der Bauart “Leipzig” lag mit ca.
20 TRM über der dieselelktr. Variante, was aber an höheren Anlaufkosten der neuartigen Leistungsübertragung gelegen haben dürfte) sein.
Patent 661783 - “Mehrstufige (hydraulische) Antriebs-
übertragung für Landfahrzeuge, insbesondere
Schienenfahrzeuge”
Untergebracht wurden Dieselmotor und Flüssigkeitsgetriebe wie bereits im Patent 635018 - Stromlinienförmiger Kopfteil für Triebwagen mit hohen Geschwindig-
keiten entworfen, in dem vorderen Überhang der Endwagen vor den Führerständen. Über eine 3,2 m lange Gelenkwelle wurde von dort die Leistung auf den innen
angeordneten Radsatz des vorderen Drehgestelles übertragen.
Der langer Zeitraum zwischen Anschluss des Vorvertrages, der erst dann dem Zentralamt vorgelegten Detailpläne für den Schnelltriebwagenzug, der daraufhin
erfolgten Überarbeitung dieser Pläne bis zum endgültigen Vertragsabschluss, nachfolgend eingereichte Änderungswünsche des Zentralamtes, die beginnende
Stahlbewirtschaftung der Industrie, Probleme mit der neuen Fertigungstechnologie (Punktschweißen), Abzug der am Bau des SVT beteiligten Arbeiter für den Bau
des Regierungszuges führten immer wieder zu Verzögerungen der Fertigstellung. Statt vorgesehen wie Sommer 1936, konnten die Arbeiten erst im Januar 1938
abgeschlossen werden. Was auch zu einer Kostensteigerung, auf fast eine Million RM führte.
Probefahrten, ein Geschwindigkeitsrekord und das Ende
Am 07.01.1938 stand der SVT 137 155 bei Westwaggon zur Ausfahrt bereit, nach nochmaliger Überprüfung, Auffüllung der Betriebsvorräte und Installierung von
Meßgeräten begannen am 27.01.1938 die Probefahrten. Während Vorführfahrten mit Reichsbahnbeamten am 15.02., abschnittsweise mit 200 km/h brannten wegen
eines Schaltungsfehlers die Anlassmotore der Dieselmotore durch. Als Ersatzteile nicht vorrätig zwang das Fahrzeug zu einer Abstellzeit von 3 Monaten.
Mit Beginn des Sommerfahrplanes sollte der Schnelltriebwagenzug der Bauart “Kruckenberg” ab 01.07.1938 den Reisekomfort auf der Strecke Berlin - Hamburg
steigern, deshalb eine Vorführfahrt für den 29.06. angesetzt. Bei einer ohne Probleme zurückgelegten Probefahrt von Berlin nach Hamburg am 27.06. machte sich
auf der Rückfahrt Brandgeruch bemerkbar. Beim Halt im Bahnhof Falkensee fiel eine rotglühende Treibradnabe auf, die Achse war gebrochen. Eine Untersuchung
ließ keinen Konstruktionsfehler erkenne, ein vermutlich falsch montiertes Achslager lief heiß und führte zum Bruch der Radsatzwelle. Die Lieferung einer
Ersatzradwelle sollte wegen der inzwischen wichtigeren Rüstungsproduktion fast ein Jahr dauern.
Im Juni 1939 konnte die Reparatur des SVT 137 155 beendet werden. Die Flugbahn-Gesellschaft forderte vor erneuten Probefahrten unbedingt die Kontrolle der
Achsen des anderen Triebdrehgestells, konnte dafür aber nicht die Kosten tragen und die gewünschte Prüfung unterblieb. Bei den folgenden Probefahrten wurde
am 23.06. auf der Strecke Berlin - Hamburg eine Geschwindigkeit von 215 km/h erreicht, Geschwindigkeitsrekord für serienmäßige Schienenfahrzeuge! Bei Probe-
fahrten am 25.06. blockierte nach Achsbruch wiederum ein Radsatz, diesmal im anderen Triebdrehgestell. Für eine nunmehr erforderliche Überarbeitung der Achs-
konstruktion und Ersatzlieferung wurden nunmehr 14 Monate veranschlagt. Wenige Monate war mit Beginn des 2. Weltkrieges war an eine Reparatur und Einsatz
des Schnelltriebwagenzuges nicht mehr zu denken.
Verblieben auf dem Gebiet Ostdeutschlands befand sich der SVT als Schadfahrzeug im RAW Wittenberge. Nachdem mehrmals eine Aufarbeitung erwogen würde,
müsste das Fahrzeug 1958 auf Grund des schlechten Zustandes verschrottet werden. Einige Teile, wie das Antriebsdrehgestell, das Flüssigkeitsgetriebe blieben
erhalten. Mit einem von Maybach zur Verfügung gestellten Motor wurde Anfang der 90er Jahre im Verkehrsmuseum Dresden ein "Mock-up" des Triebkopfes
ausgestellt.
Auch wenn dem Schnelltriebwagenzug der Bauart "Kruckenberg" auf Grund der Zeitumstände ein Einsatz verwehrt blieb, so gingen Konzept dieses Fahrzeuges in
den Bau weiterer Triebzüge ein. So wurden bei der DB ab 1957 für den internationalen TEE- Verkehr neunzehn 7-teilige, als VT 11.5 bezeichnete Triebzüge
beschafft. Die bei MAN, LHB, Wegmann erbauten dieselhydraulischen Triebzüge erreichten bei einer Leistung von 2 x 1100 PS (810 kW) eine Geschwindigkeit
von 140 km/h, später 160 km/h. Ab 1963 stellte die DR acht 4-teilige, als VT 18.16 bezeichnete Triebzüge in den Dienst. Die in der Waggonfabrik Görlitz gefertigten
diesel-hydraulischen Triebzüge erreichten bei einer Leistung von 2 x 1000 PS (736 kW) als 4-teilige Garnitur eine Geschwindigkeit von 160 km/h. Ebenfalls für den
internationalen Verkehr vorgesehen, insbesondere prägte dieser Triebzug über lange Zeit die Verbindung als "Vindobona" zwischen Berlin über Prag nach Wien.